Götter, Mythen und Heiligtümer im antiken Griechenland [Taschenbuch]

Griechische Religion bvr. Religion war in der archaischen und klassischen Zeit der griechischen Kultur ein so integraler Bestandteil des Lebens, dass kein eigener Begriff dafür gebildet wurde. Sie war eingebettet in die Gesellschaft, verknüpft mit den sozialen und politischen Verhältnissen und wesentlich eine öffentliche Angelegenheit. Sie war zudem lokal und regional sehr unterschiedlich entwickelt, entsprechend den Verhältnissen und Bedürfnissen der verschiedenen Polis-«Gemeinden»: «Jede Stadt hatte ihre eigene Mythologie, ihren eigenen religiösen Kalender und ihre eigenen Feiern.» Macht es dennoch Sinn, von der griechischen Religion zu sprechen, und sei es auf Grund von «Familienähnlichkeiten» dieser einzelnen Polisreligionen, nicht zuletzt im Hinblick auf das gemeinsame polytheistische «System»? Jan N. Bremmer lässt die Frage offen und gibt statt dessen einen spannenden Überblick über die Entwicklungen und Problemfelder der Forschung im Anschluss an die nach wie vor unersetzte Gesamtdarstellung von Walter Burkert (1977). Spannend ist dieser Überblick vor allem deshalb, weil nicht die Ergebnisse im Zentrum stehen, sondern die aktuellen Debatten und die methodologische Reflexion auf die Modelle der Forschung. Wichtige Untersuchungsfelder der jüngeren Zeit, wie etwa die gender studies, denen bisher in keiner modernen Darstellung der griechischen Religion ein eigenes Kapitel gewidmet wurde, finden hier Berücksichtigung – mit dem Befund, dass Untersuchungen über die «kulturelle Konstruktion» von Männlichkeit in der griechischen Antike ein Desiderat sind. Erstaunlich ist hingegen, dass dem Verhältnis von Religion und Philosophie kaum Aufmerksamkeit geschenkt wird. Auch die literarisch-künstlerische Vermittlung sowie Um- und Weiterbildung der Polisreligion(en) sind nicht eigens berücksichtigt – was wiederum ein Licht auf den zugrundeliegenden, wenngleich nicht thematisierten Religionsbegriff wirft. Bremmer hat in seinem reichhaltigen Anmerkungsteil die neueste Literatur verzeichnet – dadurch wird diese Überblicksdarstellung zugleich zu einem unerlässlichen Arbeitsmittel der Forschung.
— Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.