Wenn man im Himmel nicht rauchen darf, gehe ich nicht hin. Vom Genuß des Tabaks. [Broschiert]

Der Januar ist ja recht eigentlich der Monat der Nichtraucher, oder besser: derer, die es werden wollen. Aber ach! Kaum liegen Silvester und die letzte Zigarette eine gute Woche zurück, zerrt die selbst auferlegte Entsagung schon gewaltig an den Nerven: Konzentrationsschwäche, Gereiztheit, Ehekrach — das neue Jahr fängt alles andere als gut an. In dieser angespannten Lage kommt Trost und Zuspruch von Detlef Bluhm: Wenn man im Himmel nicht rauchen darf, gehe ich nicht hin — hinter diesem trotzig-radikalen Titel verbirgt sich der Versuch, die heutzutage dominierende Perspektive, die das Rauchen zuvörderst mit Lungenkrebs und Schlaganfall in Verbindung bringt, um jenen Blickwinkel zu erweitern, in dem Pfeife, Zigarre und Zigarette ursprünglich standen: Tabak ist ein Genussmittel. Und Rauchen macht Rauchern Spaß. Die Gründe dafür, dass Menschen den Qualm brennender Tabakblätter einsaugen und wieder ausstoßen, waren und sind sehr unterschiedlich. Die spanischen Seefahrer, die Ende des 15. Jahrhunderts erstmals mit den Rauchsitten der indianischen Bevölkerung Mittel- und Südamerikas konfrontiert wurden, äußerten sich zunächst ebenso ratlos wie ablehnend über die vermutlich rituell motivierten „Brandopfer“ der Einheimischen. In die europäischen Hafenstädte exportiert wurde das Rauchen in den folgenden Jahrzehnten durch die Seeleute, die durch den Tabakgenuss Hunger und Durst zu unterdrücken suchten. Für die enorme Ausbreitung des Tabaks im Europa des 16. Jahrhunderts trug schließlich ironischerweise die Medizin eine erhebliche Mitverantwortung: Als Mittel gegen Melancholie, Verstimmung und physische Gebrechen empfahl der französische Diplomat Jean Nicot die Tabakpflanze dem französischen Hochadel — und wurde drei Jahrzehnte später zum Namensgeber des Nervengifts Nikotin. Die Emanzipation der Frau im 19., die Kinematographie des 20. Jahrhunderts, Literatur, Kunst und nicht zu vergessen: die Wirtschaft — ach was, die gesamte europäische Kultur-, Sozial- und Geistesgeschichte liegt unter einer dicken Glocke aus blauem Dunst. Bluhm lüftet sie bisweilen spannend und immer unterhaltsam — so dass sich bei der Lektüre trefflich ein Zigarettchen schmöken lässt. Das letzte, versteht sich. –Anneke Hudalla

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